‚Sofortmaßnahmenpaket‘ Radverkehr: „Das ist Irreführung, die Verwaltung muss nacharbeiten“
Die Bochumer Stadtverwaltung hat aktuell ein sogenanntes „Paket an Sofortmaßnahmen für den Radverkehr“ im Ratsinformationssystem veröffentlicht, über das zunächst am 19.10. im Mobilitätsausschuss und im November in einer Ratssitzung beraten werden soll. Radwende und RadEntscheid haben das Papier nun ausgewertet und festgestellt, dass der Vorschlag der Verwaltung tatsächlich keine “Sofortmaßnahmen” enthält.
Grund für die Vorlage ist, dass die Verwaltung im Rahmen eines Ratsbeschlusses vom April 2022 mit der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs beauftragt worden ist, darunter auch Sofortmaßnahmen für 2022 und 2023, für die innerhalb eines halben Jahres Vorschläge vorgelegt werden sollten. In der Ratssitzung im April hatte der Rat der Stadt Bochum zuvor das Bürgerbegehren zum Radentscheid Bochum für unzulässig erklärt, die Fraktionen von SPD, Grüne, CDU und FDP hatten stattdessen einen eigenen Antrag eingebracht, verbunden mit dem genannten Auftrag an die Verwaltung.
Bei den nun von der Verwaltung vorgelegten sogenannten „Sofortmaßnahmen“ handelt es sich aus Sicht von Radwende und Radentscheid lediglich um eine Aufstellung bereits im Bau befindlicher, längst geplanter Maßnahmen oder um längerfristige Planungen. Aus der Vorlage geht zudem nicht hervor, welche Maßnahmen zeitnah wirksam werden. Radwende und RadEntscheid haben jede einzelne Maßnahme geprüft und dabei festgestellt, dass sich hier kein einziger neuer Vorschlag für Sofortmaßnahmen findet. So enthält die Vorlage zum Beispiel eine bereits 2019 angekündigte regelmäßige Reinigung der Springorumtrasse und die bereits 2020 vom Rat der Stadt beschlossenen Baumaßnahmen der Castroper Straße, der Hattinger Straße und im Kesterkamp. Aufgeführt wird als „Sofortmaßnahme“ auch eine Liste aller Kreuzungen, die bis 2030 fahrradfreundlicher gestaltet werden sollen (siehe Auswertungstabelle im Anhang). Unter dem Punkt “Ausbau von Infrastruktur im Radergänzungsnetz” werden lediglich die Freigabe von Radfahren in Grünanlagen und die Umwidmung von Straßen in Fahrradstraßen aufgeführt. Beide Maßnahmen stellen keine eigenständige Radinfrastruktur dar.
„Wir ärgern uns darüber, dass die Verwaltung hier einfach bereits beschlossene Maßnahmen als neue Sofortmaßnahmen ausgeben will. Das kann aus unserer Sicht nur als Irreführung bezeichnet werden. Da muss die Verwaltung nacharbeiten und wirkliche Sofortmaßnahmen vorlegen“, macht Christoph Bast von der Radwende deutlich. „Zu den bekannten Problem- und Gefahrenstellen an der Wittener Straße, der Alleestraße oder der Dorstener Straße gibt es sind im sogenannten ‘Sofortmaßnahmenpaket’ überhaupt keine Vorschläge. Hier fordern wir seit Jahren die Umwidmung von Fahrspuren und die Einrichtung von Pop-up-Radwegen. Das wären echte und schnell umsetzbare Sofortmaßnahmen, die dem Radverkehr in Bochum wirklich helfen würden“, so Christoph Bast weiter.
Auch die Vertreter:innen des RadEntscheids sind verärgert: „Die Ziele des RadEntscheids wurden im April von der Politik abgeblockt, das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. Stattdessen haben SPD, Grüne, CDU und FDP einen eigenen Antrag eingebracht. Die SPD hatte öffentlich kundgetan, ihr Antrag sei im Interesse der 17.000 Unterstützer:innen des RadEntscheids, die Grünen haben behauptet den RadEntscheid damit zu ‘retten’. Und nach sechs Monaten ist das erste Ergebnis ernsthaft eine Liste mit Maßnahmen, die längst beschlossen und keinesfalls zeitnah – geschweige denn sofort – umsetzbar sind? Das ist das Gegenteil einer Verkehrswende und entspricht überhaupt nicht dem Anliegen, für das soviele Bochumer:innen unterschrieben haben“, so RadEntscheidvertreterin Birgit Isfort.
Radwende und RadEntscheid fordern von der Politik die Vorlage der Verwaltung nicht zu akzeptieren und sie erneut mit einer zeitnahen Vorlage von Sofortmaßnahmen zu beauftragen, vor allem zur Beseitigung von bekannten Problemstellen. Christoph Bast: „An Ideen mangelt es nicht. Wir haben hier eine ganze Reihe an Vorschlägen erarbeitet und stehen gern zum Gespräch zur Verfügung.“
Zum Fortgang des RadEntscheids nach der Ratssitzung im April 2022: Gegen die Erklärung der Unzulässigkeit des RadEntscheids läuft derzeit eine Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, die im Mai von den Vertreter:innen des RadEntscheids eingereicht wurde. Sollte der Klage stattgegeben werden, muss der Rat erneut über den RadEntscheid befinden oder die Stadt muss einen Bürgerentscheid organisieren.
Link zur Vorlage der Stadtverwaltung
Auswertung des Sofortmaßnahmenpakets zum Radverkehr der Bochumer Stadtverwaltung