Wir hatten im Mai 2019 erste gemeinsame Forderungen entwickelt. Im Januar 2020 haben wir nun ein überarbeitetes Forderungspapier veröffentlicht (im pdf-Format):
Bochum braucht eine Verkehrswende.
Selbst in der sich weiter zuspitzenden Klimakrise wuchs laut dem Bochumer Statistikamt die Zahl der in Bochum zugelassenen Pkw von Januar bis September 2019 um rund 515 Fahrzeuge pro Monat, Tendenz steigend. In Bochum stammen laut letzter Bilanz im städtischen Klimaschutzkonzept rund 39 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Sektor Verkehr. Der steigende Autoverkehr gefährdet die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer*innen, schadet dem Klima und der Gesundheit der Bürger*innen (Atemwegserkrankungen etc.). Kurz gesagt, er bereinträchtigt die Lebensqualität in der Stadt erheblich.
Eine Verkehrswende bedeutet für uns eine deutliche Reduzierung des Autoverkehrs, eine massive Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und des Rad- und Fußgängerverkehrs – wie sie die Verkehrswissenschaftler zum Beispiel des Wuppertal Instituts in der Studie „Verkehrswende für Deutschland“ vorschlagen.
Bochum ist bereits seit 2016 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der fußgänger- und fahrradfreundlichen Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGFS). Deren Zielsetzung ist u. a. ein Radverkehrsanteil von 25 Prozent bis 2030 – aktuell liegt er in Bochum bei ca. 7 Prozent. Es gibt also noch viel zu tun!
Für uns sind 25 Prozent Radverkehrsanteil aber nur der Anfang. Wir glauben, dass wir langfristig noch viel mehr Radverkehr brauchen und zugleich weniger Autoverkehr, z. B. eine weitgehend autofreie Zone innerhalb des Rings, wenn wir eine nachhaltige Verkehrswende erreichen wollen. Was den Radverkehr angeht, so ist unsere Vision für Bochum ganz klar: Ein enges Netz von Radwegen auf allen größeren Straßen mit fahrradfreundlichen Kreuzungen und Radstraßen, so dass Menschen jeden Alters jeden Stadtteil direkt und sicher mit dem Rad erreichen können. Um dies zu erreichen, haben wir für Bochum 10 Forderungen entwickelt, die Bochum von der Autostadt zur Fahrradstadt machen sollen.
1. Ausbau des Radwege-Netzes in zwei Schritten
- Phase 1: Radwege auf allen Radialen und dem Ring, beidseitig und in voller Länge bis 2025 sowie Bau des RS1
- Phase 2: Radwege auf allen Hellwegen und Velorouten auf wichtigen Achsen bis 2030
Die großen Verbindungsstraßen sind oftmals der kürzeste und schnellste Weg zum Einkauf, zur Arbeit etc.. Wer mehr Radverkehr möchte, wird nicht umhin kommen, diese mit Radwegen auszustatten und dafür Autospuren zu reduzieren. Wichtig ist uns dabei, dass der Umbau möglichst ressourcenschonend ohne größeren baulichen Aufwand geschieht und beispielsweise der alte Baumbestand so weit wie möglich erhalten wird – schließlich gilt in Bochum der Klimanotstand.
Der Radschnellweg Ruhr (RS1) wurde vor 6 Jahren als das zentrale Projekt für schnelle Radverbindungen im Ruhrgebiet angekündigt. Bis heute fehlt für mehr als die Hälfte des Weges durch Bochum eine Streckenführung. Dafür ist eine wesentlich intensivere Planung seitens der Stadt Bochum nötig
2. Tempo 30 überall dort, wo es keine Radwege gibt
Untersuchungen zeigen, dass Tempo 30 die Zahl der Unfälle um etwa 40 Prozent senkt, sich die Fahrzeit aber im Vergleich zu Tempo 50 wenn überhaupt nur um wenige Minuten erhöht, wenn man bedenkt, dass die meisten Autofahrten innerhalb von Ortschaften unter einer Länge von 5 Kilometern liegen. Für alle anderen Verkehrsteilnehmer*innen wie Radfahrer*innen und Fußgänger*innen erhöht sich mit Tempo 30 u. a. aufgrund des kürzeren Bremsweges die Sicherheit erheblich.
3. Einhaltung der geltenden Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), dies bedeutet z.B.
- durchgängige, breite und deutlich markierte Radwege
- klare Trennung von Fuß- und Radwegen
- unkomplizierte Radwege-Führung an Kreuzungen
Für den Radverkehr gibt es klare Empfehlungen, deren Beachtung auch Kriterium für die Mitgliedschaft in der AGFS ist. Gleichwohl werden diese Vorgaben in Bochum vielfach noch missachtet. Gerade die Breite der Radwege und die unkomplizierte Radwege-Führung an Kreuzungen (z. B. durch Ampelvorrangschaltungen) entscheiden aber wesentlich darüber, ob die Radfahrer*innen sicher und schnell zum Ziel kommen.
4. Adäquate Erhöhung des Budgets für den Radverkehr im städtischen Haushalt
Die Stadt Bochum will den Radverkehrsanteil von 7 auf 25 Prozent steigern – zumindest wenn sie sich an die Vorgaben der AGFS hält. Für uns ist daher klar, dass auch das Budget für den Radverkehr mindestens verdreifacht werden muss. Laut Bundesverkehrsministerium sollten die Ausgaben bei Städten, die sich als „Aufsteiger“ beim Thema Radverkehr sehen, bei jährlich 13 – 18 € pro Person liegen, in Bochum liegen sie in den letzten Jahren zwischen 5 und 7,50 €. Zum Vergleich: In Dortmund sollen bis 2022 jährlich 6 Mio. für den Radverkehr ausgegeben werden, das entspricht etwa 10 € per Person.
5. Einstellung von mehr Radverkehrsbeauftragten, die an allen Planungen zum Radverkehr beteiligt werden müssen.
Bisher gibt es in Bochum genau einen Nahmobilitätsbeauftragten, der auch für den Radverkehr zuständig ist. Für einen Ausbau des Radwegenetzes muss die Stadt mehr Planer*innen beschäftigen, die über das nötige Know-How verfügen. Andere Städte haben die Notwendigkeit zusätzlicher Radverkehrsplaner bereits erkannt, z. B. bewilligte der Rat der Stadt Dortmund eine Aufstockung von 4,5 auf 14,5 Stellen. Wir wollen, dass Bochum diesem Beispiel folgt uns die Zahl der Stellen auf 8 erhöht. Diese sollen ein wesentliches Mitspracherecht haben, um Fehlplanungen stoppen zu können.
6. Mehr Stellplätze und Servicestationen für Fahrräder
Wer mehr Radverkehr will, muss sicherstellen, dass die Räder sicher und bedarfsnah abgestellt werden können. In Bochum mangelt es aber leider an vielen Orten an Stellplätzen. Mehr Stellplätze muss die Stadt Bochum z. B.an Bahnhöfen und Straßenbahnhaltestellen schaffen, um den bequemen Umstieg vom und in den ÖPNV zu ermöglichen. Gerade am Hauptbahnhof müssen dringend überdachte und sichere Stellplätze entstehen, etwa durch den Umbau von Flächen in dem Parkhaus am Südausgang. Zu wenige Abstellplätze für Räder gibt es aber auch an vielen anderen Orten wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und vielen Geschäften und Einkaufszonen. Wir fordern daher, dass ein Teil der Autoparkplätze zu Radparkplätzen umgebaut wird. Benötigt werden auch Servicestationen an öffentlichen Plätzen, an denen Radfahrende ihren Reifendruck überprüfen oder kleine Reparaturen durchführen können.
7. Bessere Instandhaltung und Wartung von Radwegen
Das Fahrradfahren in Bochum wird häufig durch bauliche Schäden an den Radwegen erschwert. Im Rahmen einer regelmäßigen Wartung ließen sich viele dieser Schäden sicherlich schnell beheben. Zur Wartung gehört für uns auch eine Reiningung der Radwege. In Bochum wird auf vielen Strecken weder Laub noch Schnee geräumt, so dass die Fahrbahn extrem rutschig wird. Auch deshalb fahren im Herbst und Winter deutlich weniger Menschen in Bochum mit dem Rad. Ein Winterdienst auf Radwegen ist übrigens auch ein Kriterium der AGFS.
8. Frühzeitige und fortlaufende Bürger*innenbeteiligung bei Planungsprozessen
Die Planung von Verkehrswegen – auch Radwegen – geschieht in Bochum wie in vielen anderen Städten häufig ohne Beteiligung von Anwohner*innen und Initiativen bzw. Verbänden. Gerade diese sind es aber, die die Wege nutzen und die Details im Blick haben, ihre Einbindung ist unumgänglich.
9. Konsequentes Vorgehen der Behörden gegen das Parken auf Radwege
Das Parken auf Radwegen ist weit verbreitet und führt immer wieder zu gefährlichen Situationen für Radfahrer*innen, die dann auf die Autospur oder den Gehweg ausweichen müssen.
10. Transparenter Mängelmelder
Die Stadt Bochum bietet zwar die Möglichkeit auf ihrer Homepage Mängel zu melden, es ist aber nicht einsehbar, welche Mängel bereits gemeldet sind, auch der Bearbeitungsstand ist unklar.