ADFC: WAT-Fußgängerzone – Rückfall in die Fahrrad­feindlichkeit

Pressemitteilung des ADFC-Bochum zum Entscheid der Bezirksvertretung Wattenscheid gegen eine Freigabe der Fußgängerzone.

Rückfall in die Fahrrad­feindlichkeit – eine zukunftsweisende Entscheidung in Zeiten des Klimawandels?

Eine Beschlussvorlage der Fachverwaltung, die die Freigabe der Fußgängerzone in der Wattenscheider Innenstadt für den Radverkehr qualifiziert und fachlich nachvollziehbar vorschlug, wurde in der letzten Sitzung der Bezirksvertretung Wattenscheid am 03.03.2020 „mit großer Mehrheit“ der Bezirksvertreter abgelehnt.

Die Politiker sahen bei einer Freigabe für den Fahrradverkehr die „Sicherheit“ der Fußgänger gefährdet. Die relativ enge Oststraße sei nicht mit der für den Radverkehr freigegebenen Fußgängerzone in Herne vergleichbar. Nötige Umwege, um Ziele in der Wattenscheider Innenstadt zu erreichen, seien zumutbar. „Wir wollen die Fußgängerzone so erhalten, wie sie ist, und den Radverkehr fernhalten“, argumentierte Hans-Josef Winkler von der UWG: Freie Bürger. Auch die SPD sieht „keinen Handlungsbedarf“.

Der ADFC Bochum kritisiert diese politische Entscheidung und hält sie für einen Rückfall in fahrradfeindliche Zeiten, die nicht mit den Grundsatzbeschlüssen der Stadt Bochum zur nachhaltigen Mobilität vereinbar sind und den Zielen der Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Fußgänger- und Fahrradfreundlicher Städte (AGFS) deutlich widersprechen.

In der Bochumer Innenstadt wurde es vorgemacht: Großteile der Fußgängerzone – bis auf die in der Tat recht enge Kortumstraße – wurden für den Fahrradverkehr freigegeben. Hier funktioniert das Miteinander, vor dem die Bezirksvertreter in Wattenscheid sich fürchten.

Die Beschlussvorlage der Verwaltung zitierte aus einer Studie „Mit dem Rad zum Einkauf in die Innenstadt – Konflikte und Potenziale bei der Öffnung von Fußgängerzonen für den Radverkehr“, die zum Ergebnis kommt, „…dass Radfahrende sich im Allgemeinen an die Verkehrsverhältnisse anpassen: Während die gefahrenen Geschwindigkeiten bei geringem Fußverkehr höher ausfallen, sinken sie mit zunehmender Fußverkehrsstärke immer weiter ab bis irgendwann gar nicht mehr Rad gefahren werden kann. Die Konflikte blieben dabei konstant auf sehr geringem Niveau.“ Das deckt sich mit den Erfahrungen in der Bochumer Innenstadt und der Freigabe der Huestraße für den Fahrradverkehr.

Diese nahmobilitätsfeindliche Entscheidung der Wattenscheider Politiker ist ein deutlicher Rückschritt und vergibt Chancen für die Wattenscheider Innenstadt. In einer Studie der Uni Erfurt zur Freigabe von Fußgängerzonen wurde festgestellt: „In der Untersuchung wiesen Rad fahrende Kunden einen höheren Jahresumsatz auf als Kunden, die mit dem eigenen Kfz anreisen. Damit kann auch der Einzelhandel von einer Fußgängerzonenfreigabe für den Radverkehr profitieren.“

Wichtige innerstädtische Verbindungen besonders auch zu den Schulen sind durch diese Entscheidung weiterhin abgeschnitten. Sollen die Kinder und Jugendlichen auf dem Schulweg zum Gymnasium aus den nördlichen Stadtteilen, z.B. Günnigfeld, absteigen oder über Hauptverkehrsstraßen ohne sichere Radwege östlich oder westlich diese Fußgängerzone mit Zeitverlust umfahren?

Die Vorschläge des Nahmobilitätskonzepts Wattenscheid, die der Bezirksvertretung als Entwurf vorliegt, und welches auch die Freigabe vorsieht (Maßnahme R3 01-03), zählen offenbar nicht.

Wattenscheid hat insgesamt keine ausreichende Radverkehrsinfrastruktur und seit Jahren wird die schwindende Attraktivität und Frequentierung der Innenstadt beklagt. Eine Freigabe der Fußgängerzone bildet hier einen wichtigen Lückenschluss und trägt zur Belebung der Einkaufszone bei.

Der ADFC Bochum fordert, den Beschluss zu überdenken und sich in einer Anhörung mit den Argumenten der Verkehrsexperten auseinander zu setzen.

(Die Ergebnisse der Studie der Universität Erfurt sind zusätzlich detailliert in gesonderten Evaluationsberichten auf radsam-kampagne.de zu finden.)