AIM: Gute Ansätze aber kein entschlossenes Bekenntnis zur Radwende
Gute Ansätze aber kein entschlossenes Bekenntnis zur Radwende – Erklärung des Bündnisses Radwende zur Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur und Mobilität am 03.06.2020
Passenderweise tagte er am Weltfahrradtag, der Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität (AIM) des Bochumer Stadtrates – zum vorletzten Mal in dieser Legislaturperiode. Auf der Tagesordnung standen einige Anträge zum Thema Fußgänger- und Fahrradverkehr, davon waren drei von der Radwende.
Der Blick der Radwende auf das Ergebnis: Wir begrüßen den Beschluss zur Ausschreibung des Radverkehrskonzepts. Nach über sechs Jahren Stillstand hatten die Stadtgestalter sogar zuletzt Klage einreichen müssen, um Auskunft über den Bearbeitungsstand zu erhalten. Laut Stadtbaurat Dr. Bradtke sei die Bearbeitung bislang u. a. durch „vakante Stellen“ nicht möglich gewesen.
Die jetzt angekündigte Ausschreibung umfasst 250.000 Euro für ein Konzept, das ein externes Ingenieurbüro bis zum ersten Quartal 2022 erarbeiten soll. Das Konzept soll Basis für den weiteren Radverkehrsausbau der nächsten 10 Jahre sein und folgende Kernpunkte enthalten:
Die Erstellung eines Katasters der Radverkehrsführungen und Fahrradabstellanlagen auf Bochumer Stadtgebiet inkl. stillgelegter Bahnstrecken des Bahntrassenkonzepts, den Trassen des Regionalen Radwegenetztes und separaten Trassen (Erzbahn-, Springorumtrasse u.a.)
- Das Kataster soll zukünftig von der Bauverwaltung aktualisiert und weiterentwickelt werden
- Die Bewertung und Erweiterung des Bestandes an Radverkehrsanlagen (inkl. kritisches Hinterfragen des Parkraumangebots/Fahrbahnparken)
- Die Cityradialen, weitere Hauptverkehrsstraßen sowie der Innenstadtring stehen klar im Fokus
- Maßnahmen, den Alltagsradverkehr kurz-, mittel- und langfristig zu attraktivieren
- Vorschlag für geeigneten Standort für Erweiterung der Radstation
- Priorisierung von kleinen Eingriffen bis großen Straßenumbauten
- umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit: Beteiligungskonzept mit angepassten Beteiligungsformaten (bei der Auswahl des Büros werden bei der Beteiligung der Referenzen die angewandten Beteiligungsformate als Qualitätskriterium berücksichtigt)
- Schulwegpläne und Fahrradparken an Schulen
Auch zu loben ist der beschlossene Maßnahmenplan 2020/2021 zur Erarbeitung von Umsetzungskonzepten für den Bau von Radwegen und der Reduktion von Höchstgeschwindigkeiten auf einigen Straßen. Diese hatte die Radwende schon früher auf die Tagesordnung des Ausschusses setzen können. Das betrifft vor allem die Tippelsberger Straße und den Dahlacker / Riemker Straße in Riemke, die Straße Auf der Heide zwischen Opelring und Wasserstrasse, den Radweg Parkband West, die Universitätsstraße zwischen Querenburg und Langendreer, die Baroper Straße, und besonders erfreulich, die Alleestraße / Essener Straße.
Die Radwende vermisst jedoch die Einforderung eines konkreten Zeitplans und kritisiert die vage Formulierung der Aufgaben. „Der Stadtrat kann sich also darauf verlassen, dass die Radwende die Umsetzung der Projekte und die geplante Öffentlichkeitsbeteiligung genau beobachten wird“, sagt Dr. Birgit Agne von der Radwende. Amüsant sei auch der Auftrag an die Verwaltung, ein Konzept zur Schließung von Lücken im Radwegenetz zu erstellen. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass das Radwegenetz in Bochum fast nur aus Lücken besteht. In jedem Fall ist dieser Lückenschluss eine riesige Aufgabe für die Verwaltung.
Unverständliche Ablehnung von Anträgen der Radwende
Behandelt wurden in der Ausschusssitzung auch drei Anträge der Radwende nach §24 GO NRW, die von uns dort noch einmal begründet wurden. Abgelehnt wurde unser Antrag, beim Umbau der Hattinger Straße im Kreuzungsbereich zur Königsallee einen adäquaten Radweg zu planen, statt die Zahl der Fahrspuren in Richtung Innenstadt auf vier zu erhöhen. So wird es nun keine direkte Möglichkeit für Radfahrende geben, von der Hattinger Straße kommend in die Innenstadt abzubiegen, sondern nur den umständlichen Weg über Fußgängerampeln. Wieder hat der Autoverkehr oberste Priorität gegenüber einer radfreundlichen Lösung.
Der von uns geforderte Bau eines kompletten Radwegs auf der Castroper Straße wurde abgelehnt, obwohl die Stadt immer wieder betont, wie wichtig ihr die Radwege auf den großen Radialstraßen seien und diese auch Gegenstand des kommenden Radverkehrskonzepts sein sollen. Immerhin gab es daraufhin durch einen Änderungsantrag der Koalition den Beschluss, „die Verwaltung damit zu beauftragen, mit den Planungen zur baulichen Umgestaltung der Castroper Straße/ Harpener Hellweg zwischen Gersteinring und Sheffieldring zu beginnen.“ Solche Planungen sind aber gerade in Bochum oft sehr langwierig. „Offensichtlich will die regierende Ratsmehrheit keinen schnellen Umbau der Radialen“, stellt Dr. Birgit Agne fest.
Den Pilotversuch zu einer Protected Bike Lane bewertet die Radwende positiv, auch wenn ihr Antrag abgelehnt wurde. Warum es aber nur ein Abschnitt auf der Universitätsstraße sein soll, statt einer durchgängigen Radspur, bleibt die Frage. Wer zur Uni oder in die Stadt mit dem Rad will, wird sicher nicht wegen einer begleitenden Betonmauer zwischen Wasserstraße und Waldring den gesamten Weg als sicherer empfinden. Dankenswerter Weise nahm die Koalition aber wenigstens unsere Anregung zur größeren Breite auf, so dass die Pilotspur jetzt mindestens zwei Meter breit werden soll.
Das Fazit der Radwende: Insgesamt hat der Ausschuss also endlich ein längst überfälliges bzw. sechs Jahre verzögertes Radverkehrskonzept auf den Weg gebracht, das den Grundbaustein für die zukünftige Radinfrastruktur bilden soll. Dass eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit mit eingeplant ist, sehen wir auch als Anerkennung unserer ununterbrochenen harten Arbeit der letzten Monate. Den Faktor Zeit ausgenommen, entsprechen die meisten Inhalte unseren Forderungen. Die beschlossenen Maßnahmen begrüßen wir ausdrücklich. Spannend bleibt, ob diese von der Verwaltung tatsächlich so umgesetzt werden.
Die Ablehnung unserer Anregungen zur Hattinger- und zur Castroper Straße zeigen aber auch, wie wichtig es ist, dass Radfahrer*innen ihre Interessen lautstark vertreten, sonst wird die Verkehrswende in Bochum noch Jahrzehnte dauern.