„Tempo 30 oder Radwege“ auf der Friederikastraße und anderen Wohnstraßen
Die Friederikastraße zwischen Königsallee und Universitätsstraße ist Schulweg für viele Kinder, die die beiden anliegenden Grundschulen besuchen. Einen Radweg oder Radspuren für sie gibt es auf der zweispurigen Straße nicht. Die Forderung nach solchen oder andernfalls eine Verkehrsberuhigung auf Tempo 30 statt wie bisher 50 lehnt die Stadtverwaltung bisher ab. Für das Bündnis Radwende sind Radstreifen dagegen kein Problem.
Tempo 30 oder Radwege, das war die Forderung einer Bürgerin für die Friederikastraße zwischen Unistraße und Königsallee, die sie bei der Stadtverwaltung mit einem Bürgerantrag angeregt hatte. Die WAZ hat am 10. Januar 2020 darüber berichtet.
Demnach lehnt die Verwaltung die Anregung in ihrer Beschlussvorlage für den 14. Januar ab, wenn der Mobilitätsausschuss der Stadt erneut tagt. In den Augen der Radwende Bochum wäre ein solcher Beschluss mehr als bedauerlich, weil er die Sicherheitsbedenken der Eltern und die Bedeutung eines klimafreundlichen Radverkehrs nicht ernst nimmt. Sie schlägt stattdessen andere Lösungen für die notwendige Verbesserung der Verkehrssicherheit und der Lebensqualität vor. Zudem weist sie darauf hin, dass die Stadt Bochum seit August 2016 Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen“ (AGFS) ist und seit Juni 2019 sogar für sich den Klimanotstand erkannt hat – und deswegen zu rad- und klimafreundlichen Lösungen verpflichtet ist.
Die Antragstellerin hatte auf die Gefahren durch den Autoverkehr für die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Friederika und der Don-Bosco-Schule hingewiesen. Kinder bis zu 10 Jahren müssen (bis 8 Jahre) oder dürfen die Gehwege auf dem Weg zur Schule mit dem Rad benutzen.
Die Radwende Bochum fordert dasselbe wie die Antragstellerin: Tempo 30 oder Radwege. Diese wären durchaus möglich, denn die Fahrbahn wäre dafür mit 7,50 Meter breit genug. Die Straßenbreite reicht nur dann nicht aus, wenn auf den Gehwegen, die zur Straße dazu gehören, Autos geparkt werden. „Den Missbrauch von öffentlichen Straßen als Parkplätze stellt die Verwaltung damit offensichtlich gar nicht erst in Frage. Das Parken von Kfz auf Gehwegen wird aber von vielen PKW-FahrerInnen als selbstverständliches Recht vorausgesetzt“, so Ralf Bindel, einer der Radwende-Sprecher*innen. „Und illegales Parken auf Gehwegen bleibt häufig ungeahndet – es war das mit Abstand während des Radwende-Adventskalenders am häufigsten genannte Verkehrshindernis.“
Stattdessen stünde es einer fußgänger- und fahrradfreundlichen Stadtverwaltung gut zu Gesicht, wenn sie zuallererst prüfen würde, ob die Gehwege für Fußgänger und radelnde Kinder ausreichend bemessen sind. Die Stadtverwaltung sieht dagegen wie häufig keinen Weg zur Veränderung: Um zugunsten des Radverkehrs die Straße umzubauen, sei es ihrer Ansicht nach notwendig, alle Bäume auf beiden Fahrbahnseiten zu fällen und das Parken zumindest auf einer Seite zu verbieten. Oder die Stadt müsse in Privatgrundstücke eingreifen.
Für die Radwende wird diese Argumentation der Situation nicht gerecht – sie ist aber leider Standard geworden. Schon die fehlenden Radwegeausbauten an der Wittener Straße hatte die Stadtverwaltung so begründet, ebenso wie vor kurzem die Ablehnung einer Initiative zur Hunscheidtstraße: „Stadt lehnt Wunsch nach 30er-Zone ab“ (WAZ).
Dabei sind die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA 2010) für die Planung und Ausführung in der Sache deutlich: „Bei Fahrbahnbreiten von 7,50 m und mehr soll die Anlage von Schutzstreifen geprüft werden“, heißt es dort. So wären ohne parkende Autos auf den Gehwegen und ohne Mittelstreifen Schutzstreifen auf der Friederikastraße durchaus möglich – auch mit Busverkehr. Denn tatsächlich ist im weiteren Verlauf der Friederikastraße die effektive Fahrbahnbreite wesentlich geringer, weil auf beiden Seiten der Fahrbahn geparkt wird.
Eine andere Lösung wäre, würde man das Parken abwechselnd auf der einen und dann auf der andere Seite der Fahrbahn zulassen – aber nicht auf den Gehwegen. Das wäre dann effektive Verkehrsberuhigung – nicht nur im Sinne der Radwende.
„Tatsächlich hat Bochum zu viele Tempo-30-Zonen, denn die Zonen sind zu klein. Auch die Friederikastraße besitzt auf ganzer Länge mehrere Tempo-30-Zonen. Würden diese Abschnitte zusammengelegt, hätte Bochum weniger aber bessere Tempo-30-Zonen“, stellt Ralf Bindel für die Radwende fest.
In ihrem Mobilitätskonzept schreibt die Stadt Bochum zum Radverkehr im so genannten Vorbehaltsstraßennetz, in dem Tempo 50 garantiert ist: „Zur sicheren Führung des Radverkehrs sind dort straßenbegleitende Radwege, Radfahrstreifen oder Schutzstreifen angelegt.“ Das ist – wie das Beispiel Friederikastraße zeigt – offensichtlich falsch. Wenn die Friederikastraße keine Radfahrstreifen oder Schutzstreifen hat, kann sie nicht zum Vorbehaltsstraßennetz gehören.
„Das Vorbehaltsnetz der Stadt Bochum schreibt den Vorrang des motorisierten Verkehrs fest und gehört in einer fußgänger- und fahrradfreundliche Stadt nach unserer Ansicht vorbehaltlos auf den Prüfstand“, so Ralf Bindel.
In vielen anderen Städten haben die Verwaltungen bei Platzproblemen wie in der Friederikastraße in Bochum sogar Fahrradstraßenlösungen gewählt.
Der Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität – also die Politik – wird in seiner morgigen Sitzung am Dienstag, 14. Januar 2020, über den Bürgerantrag auf Verkehrsberuhigung entscheiden. Dann trifft er eine weitere richtungsweisende Entscheidung zu einer fußgänger- und fahrradfreundlichen Stadt Bochum.
Die Radwende fordert, dass die Stadt Bochum den Ansprüchen und Kriterien der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (AGFS) auch in der täglichen Praxis gerecht wird. Anderenfalls wirkt die seit 2016 bestehende Mitgliedschaft Bochums in diesem Bündnis wenig glaubwürdig. Der Beitritt zur AGFS ist auch Verpflichtung für die Zukunft, wie schon der damalige NRW-Verkehrsminister bei der Übergabe der AGSF-Urkunde an die Stadt Bochum feststellte. Ebenso wie der Ausbau umweltfreundlichen Radverkehrs in Zeiten des Klimanotstands.–